Mittwoch, 30. Oktober 2019 · 936 Wörter · 6498 Zeichen

MeBeSafe Nudges bereit für den Feldtest

Verkehrsregeln funktionieren nur, wenn Menschen sie aktiv befolgen. Stattdessen könnte jedoch das Verkehrsumfeld so gestaltet werden, dass Verkehrsteilnehmer sich intuitiv sicherer verhalten. MeBeSafe hat so genannte Nudges entwickelt, um den Verkehr sicherer zu machen, und diese sind nun bereit für die Erprobung auf realen Straße.

"Da ist es! Die Lichter gehen an! Und.......... Es funktioniert!”. Stefan Ladwig, Koordinator des EU-Projekts MeBeSafe, ist begeistert. Bei MeBeSafe geht es darum, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, und der erste so genannte Nudge wurde nun an einer echten Straße in Betrieb genommen.
Ein Auto nach dem anderen fährt die Straße hinunter, während speziell angepasste Straßenbeleuchtungen in der Straßendecke ein- und ausgeschaltet werden. Und die Fahrer scheinen darauf zu reagieren.
Diese Anlage ist eine der Entwicklungen, die MeBeSafe hervorgebracht hat, um den Verkehr sicherer zu machen. Bislang besteht die klassische Methode zur Verbesserung der Verkehrssicherheit hauptsächlich darin, risikoreiches Verhalten durch den Gesetzgeber zu verbieten. MeBeSafe nutzt stattdessen den immer beliebter werdenden Nudging-Ansatz. Das Projekt definiert einen Nudge als Veränderung der Umgebung, die darauf abzielt, es wahrscheinlicher zu machen, dass die Verkehrsteilnehmer eine sichere Entscheidung treffen. Dabei steht es ihnen jederzeit frei, jede beliebige Entscheidung zu treffen - denn ein Nudge ist das Gegenteil von Zwang. Diesen positiven Ansatz wird MeBeSafe nun auf realen Straßen in Feldstudien implementieren.
Die meisten Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr werden erst aktiv, wenn die Situation bereits kritisch geworden ist oder bereits ein Unfall stattgefunden hat. Jeder Unfall ist jedoch das Ergebnis einer Kette von Vorfällen. Wenn in dieser Kette bereits zu einem früheren Zeitpunkt Entscheidungen getroffen würden, die dieser frühen Verkehrssituation angemessen sind, sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Unfalls, so das Ziel von MeBeSafe.

Kreuzungen mit verschiedenen Verkehrsteilnehmern sind besonders kritisch

Kreuzungen sind besonders kritische Situationen im Straßenverkehr. Tatsächlich passieren hier acht von zehn Unfällen zwischen Auto und Fahrrad. Sinnvollerweise würden alle Verkehrsteilnehmer an kritischen Kreuzungen ihre Geschwindigkeit reduzieren. Niedrige Geschwindigkeiten erleichtern es, einander rechtzeitig wahrzunehmen und bei Bedarf zu bremsen.
MeBeSafe hat festgestellt, dass optische Fahrbahnmarkierungen in Form von flachen Streifen, die quer über der Straße verlaufen, helfen können. Sie sind nicht spürbar, aber der Abstand zwischen den einzelnen Streifen wird kontinuierlich verringert. Dadurch entsteht der subjektive Eindruck beim Fahrradfahrer, zu schnell unterwegs zu sein und er wird intuitiv seine Geschwindigkeit anpassen.
Die ersten Ergebnisse zeigen positive Effekte. Die Streifen scheinen eine deutliche Geschwindigkeitsreduzierung in Verbindung mit einer sehr hohen Akzeptanz seitens der Radfahrer zu erzeugen.
Um auch Autofahrer zur Reduzierung der Geschwindigkeit zu animieren, hat MeBeSafe eine weitere neuartige Idee genutzt. Lampenreihen werden auf beiden Seiten einer Straße so platziert, dass sie nacheinander aufleuchten können. Dieses Muster bewirkt den Eindruck, die Lichter würden sich auf den Fahrer zubewegen, was diesen wiederum animiert, langsamer zu fahren. Das System ist so gestaltet, dass es erst bei kritischen Geschwindigkeiten aktiviert wird und bei regelkonformem Verkehrsverhalten inaktiv bleibt.

Offensichtlicheres Nudging

MeBeSafe hat zudem einen Nudge entwickelt, der Autofahrer aktiv unterstützt, Radfahrer frühzeitig wahrzunehmen. In einer Simulatorstudie wurde eine aktuelle Fahrstrecke als grüne Linie auf die Windschutzscheibe projiziert. Kreuzende Fahrradfahrer bewirken nun, dass sich die Linie rot färbt und die Seite visuell hervorhebt, von der sich ein Radfahrer nähert. Im Feldtest wird der Nudge nicht auf die Windschutzscheibe projiziert, sondern im Kombiinstrument angezeigt.
Aktuell gibt es bereits einige offensichtliche Nudging-Maßnahmen in Fahrzeugen. So leuchten z.B.  Kaffeetassen-Symbole in den Instrumententafeln auf, wenn das Bordsystem erkennt, dass der Fahrer Müdigkeitserscheinungen zeigt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass derartige Systeme dem erhofften Effekt „Pause machen“ hinterherhinken.
MeBeSafe wird daher auch untersuchen, welche Auswirkungen aktive Belohnungssysteme auf den Fahrer haben. Wären müde Fahrer eher geneigt, anzuhalten und sich auszuruhen, wenn es eine kostenlose Tasse Kaffee im nächsten Café gäbe? Oder eine Kinokarte? Ein solches Anreizsystem könnte den Fahrer motivieren und eine langfristige Änderung von Gewohnheiten bewirken.

Eine neue Art der Fahrerausbildung

Eine weitere Möglichkeit, langfristige Ergebnisse zu erzielen, ist der Einsatz von Coaching. MeBeSafe untersucht diese Methode für Lkw-Fahrer. Idealerweise würden diese sich tatsächlich gegenseitig coachen, da sie die Anforderungen aus der Realität am besten kennen.
Um dies zu unterstützen, hat MeBeSafe eine App entwickelt. Die App zeichnet während der Fahrt verschiedenste Daten auf. Diese Daten sind ausschließlich für den Fahrer zugänglich. Niemand sonst kann sie einsehen oder den Fahrer nötigen, sie weiterzugeben. Nur das Smartphone mit der App analysiert die Daten und macht dann zum Beispiel Vorschläge, wann sich zwei Fahrer treffen und was sie dann besprechen sollten.
Alle diese Lösungen wurden in mehreren Vorstudien getestet, um zu untersuchen, inwiefern es sich um wirkungsvolle Lösungen handelt. Nun werden sie im Rahmen von Probandenstudien im realen Straßenverkehr erprobt.
Über einen Zeitraum von sechs Monaten findet die Erprobung in Alltagssituationen statt, um Statistiken darüber zu erstellen, die Aufschluss darüber geben, wie und für wen sie funktionieren und ob sie den Verkehr sicherer machen können.

[Logo: MeBeSafe]
This project has received funding from the European Union's Horizon 2020 research and innovation programme under grant agreement No 723430.

Über das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University

Das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) beforscht unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Lutz Eckstein das Gesamtfahrzeug einschließlich seiner Systeme und deren Wechselwirkungen. Von der Idee über innovative Komponenten- und Systemkonzepte bis hin zum Fahrzeugprototypen gestalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Institutes das Fahrzeug der Zukunft. Das ika leistet sowohl in öffentlichen Projekten als auch in Kooperation mit Automobilherstellern und -zulieferern einen anerkannten Beitrag zur Lösung der aktuellen Herausforderungen.

Grundlage der intensiven Forschungsarbeiten für große Teile der Automobilindustrie sowie öffentliche Fördermittelgeber auf EU-, Bundes- und Landesebene stellt die umfangreiche Infrastruktur des ika dar, welche von Antriebs-, Batterie-, Fahrwerks- und Reifenprüfständen über akustische, thermodynamische und servo-hydraulische Prüfeinrichtungen bis hin zu einer Gesamtfahrzeug-Crashanlage sowie Teststrecken einschließlich modernster Messtechnik reicht. Hinzu kommt eine aktuelle Soft- und Hardwareausstattung für alle erforderlichen Simulationsdisziplinen. Das ika beschäftigt mehr als 135 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie rund 100 studentische Hilfskräfte. Zusätzlich entstehen jährlich ca. 200 studentische Arbeiten im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten.


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