Dienstag, 28. November 2023 · 863 Wörter · 6638 Zeichen

Deutsche Industrie und Forschung schlägt neuen Entwicklungs-Standard für sicheres automatisiertes Fahren vor

Verbundprojekt Verifikations- und Validierungsmethoden

  • Sicherheitsfokus: Für die Verkehrszulassung automatisierter Systeme und Fahrzeuge muss die Sicherheit technisch nachgewiesen werden.
  • Verbundprojekt Verifikations- und Validierungsmethoden (VVM) liefert erstmals ein Modell für diesen erforderlichen Sicherheitsnachweis für automatisierte Fahrsysteme im urbanen Umfeld.
  • Automatisiertes Fahren der Zukunft: Projektergebnisse geben Orientierung für die gesamte Industrie und stärken die Wettbewerbsfähigkeit.

Stuttgart, November 2023 – Die deutsche Automobilindustrie und Forschung hat sich in einem Verbundprojekt mit 22 Partnern zusammengeschlossen und die weltweit ersten Strukturen entwickelt, um Sicherheitsstandards bei automatisierten Fahrzeugen im urbanen Umfeld nachweisbar zu machen. Vier Jahre nach Beginn des Verbundprojektes Verifikations- und Validierungsmethoden (VVM) liegen nun die Ergebnisse vor, die bei einer gemeinsamen Abschlusspräsentation letzte Woche im Detail vorgestellt wurden.

Das vorwettbewerbliche Forschungsprojekt wurde von der VDA Leitinitiative autonomes und vernetztes Fahren initiiert und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert.

Je höher der Grad beim automatisierten Fahren und je komplexer das Einsatzgebiet eines Systems, desto mehr Faktoren müssen bei der Entwicklung berücksichtigt werden. Bereits heute sind erste SAE Level 3-Systeme für das Autobahnfahren und ein SAE Level 4-System für das fahrerlose Parken zugelassen. Für eine Ausweitung auf weitere Einsatzgebiete – wie dem Stadtverkehr – steigen die Komplexität und die Anforderungen an Fahrzeug und System deutlich an. Aus diesem Grund sind entsprechend geeignete Verifikations- und Validierungsmethoden notwendig, was im Fokus der Arbeitsgemeinschaft des VVM-Projekts stand.

Herausforderung Stadtverkehr

„Fußgänger, Radfahrer, motorisierte Zweiräder, schwer einsehbare Straßenkreuzungen: Eine der größten Herausforderung beim automatisierten Fahren stellt das Beherrschen des Verkehrs im urbanen Umfeld dar. Dieser ist geprägt durch viele Verkehrsteilnehmer, Ampelsysteme, Verkehrszeichen und Fahrzeuge“, sagt Roland Galbas von Bosch, Leiter des Konsortialprojektes VVM. „Damit das Fahrzeug in Zukunft auch höchst seltene Szenarien beherrscht, braucht es nachvollziehbare Strukturen und Prozesse, die den sicheren Betrieb eines Systems in Ausnahmesituationen nicht nur ermöglichen, sondern das sichere Manövrieren auch nachweisen können.“

„Das Forschungsprojekt VVM widmet sich genau diesem Nachweis, dass die automatisierten Fahrfunktionen sicher und zuverlässig reagieren und darüber hinaus bzgl. Präzision und Qualität einen Nutzen für den Kunden darstellen”, sagt Dr. Mark Schiementz von BMW, ebenfalls Leiter des Konsortialprojektes. „Flankiert durch Regularien gilt für die deutsche Automobilindustrie der Grundsatz, eben nicht nur den schnellsten technologischen Fortschritt auf die Straße zu bringen, sondern jederzeit sichere Fahrzeuge und Systeme bereitzustellen, auf die man sich verlassen kann. Und diese Zuverlässigkeit beginnt bereits in der Entwicklung dieser Systeme.”

Voraussetzung für Verkehrszulassung: Nachweisbare Sicherheit

Bereits bei der Auslegung und Entwicklung von automatisierten Fahrfunktionen steht der Sicherheitsgrundsatz an erster Stelle. Entsprechend müssen diese Sicherheitsfunktionen für die Verkehrszulassung eines Fahrzeuges und einer zertifizierten Freigabe für den Straßenverkehr nachgewiesen werden. Um diesen Nachweis erbringen zu können, haben die 22 Projektpartner gemeinsam ein Modell erarbeitet, das aus verschiedenen Verfahren, Methoden und Werkzeugen besteht. So kann mittels einer sogenannten Sicherheitsargumentation der Nachweis erbracht werden, dass das System sicher nutzbar ist.

Für die methodische Ausgestaltung dieses Modells haben die Partner in mehreren Teilprojekten zusammengearbeitet. Branchenweit angewendet, würde das definierte Modell die Grundlage schaffen, die Sicherheit in automatisierten Fahrzeugen nachzuweisen. „Die hier erarbeiteten Modelle ermöglichen es erstmals, dass allen Automobilherstellern dieselben Strukturen bei der Verifikation und Validierung automatisierter Fahrsysteme im städtischen Umfeld zur Verfügung stehen. Diese Vereinheitlichung könnte dann auch in industrieweite Standards münden, die den Straßenverkehr für alle Verkehrsteilnehmer noch sicherer machen können”, erklärt Helmut Schittenhelm, Projektkoordinator von Mercedes-Benz.

Fundament der Absicherung: Datenbanken für Szenarien und Sensordaten

Als Teilprojektleiter war das Institut für Kraftfahrzeuge der RWTH Aachen University für die Entwicklung und prototypische Umsetzung der für das Projekt benötigten Datenbanken für Sensordaten und parametrierten Szenarien sowie der dazugehörigen Datenbankmechanik verantwortlich. Mit deren Hilfe wurden die im Projekt benötigten und erzeugten Daten, beispielsweise aus innerstädtischen Kreuzungssituationen, automatisiert unter Anwendung verschiedener Algorithmen zu konkreten und logischen Szenarien verarbeitet und somit parametrisiert. Ebenfalls wurde eine Sensordatenbank und -datenverarbeitung entwickelt, welche das gezielte Auswerten der Leistungsfähigkeit von Sensoren im Fahrzeug erlaubt.

Technologie-Vorreiter aus Deutschland

Der methodische Ansatz aus dem VVM-Projekt ist weltweit der erste Standard, der auch industrielle Prozesse berücksichtigt. Damit macht sich die deutsche Automobilindustrie erneut zum technologischen Vorreiter beim automatisierten Fahren.

Damit liefert VVM, aufbauend auf den Ergebnissen der Vorgängerprojekte Pegasus und SetLevel, erstmals einen durchgängigen methodischen Sicherheitsansatz für automatisiertes Fahren im urbanen Umfeld, mit dem eine branchenweite Zusammenarbeit und Wertschöpfung möglich wird. Der im Projekt verfolgte Ansatz des Szenarien-basierten Sicherheitsnachweises könnte nach behördlicher Zustimmung helfen, weltweite Standards zu setzen. VVM hat ein für die Branche zukunftsrelevantes Referenzsystem geschaffen, das eine methodische Lücke für die praktische Absicherung schließt und die Vorreiterrolle der deutschen Industrie im internationalen Wettbewerb beim automatisierten Fahren festigt.


Über das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University

Das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) beforscht unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Lutz Eckstein das Gesamtfahrzeug einschließlich seiner Systeme und deren Wechselwirkungen. Von der Idee über innovative Komponenten- und Systemkonzepte bis hin zum Fahrzeugprototypen gestalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Institutes das Fahrzeug der Zukunft. Das ika leistet sowohl in öffentlichen Projekten als auch in Kooperation mit Automobilherstellern und -zulieferern einen anerkannten Beitrag zur Lösung der aktuellen Herausforderungen.

Grundlage der intensiven Forschungsarbeiten für große Teile der Automobilindustrie sowie öffentliche Fördermittelgeber auf EU-, Bundes- und Landesebene stellt die umfangreiche Infrastruktur des ika dar, welche von Antriebs-, Batterie-, Fahrwerks- und Reifenprüfständen über akustische, thermodynamische und servo-hydraulische Prüfeinrichtungen bis hin zu einer Gesamtfahrzeug-Crashanlage sowie Teststrecken einschließlich modernster Messtechnik reicht. Hinzu kommt eine aktuelle Soft- und Hardwareausstattung für alle erforderlichen Simulationsdisziplinen. Das ika beschäftigt mehr als 135 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie rund 100 studentische Hilfskräfte. Zusätzlich entstehen jährlich ca. 200 studentische Arbeiten im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungsprojekten.


Zur Veröffentlichung freigegeben. Bei Abdruck Belegexemplar erbeten. Bei Rückfragen oder Wunsch nach weiterem Material wenden Sie sich bitte an Ihre Ansprechpartner.

Pressekontakt

Institut für Kraftfahrzeuge, RWTH Aachen University
Steinbachstraße 7
52074 Aachen

Nikola Druce M.A.
Leiterin PR/Medien
+49 241 80 25668
E-Mail

Download

PDF der Pressemitteilung herunterladen.Pressmitteilung inkl. Bilder als ZIP-Datei herunterladen.

Link

www.vvm-projekt.de

Projektlaufzeit

07/2019 – 06/2023

Projektpartner

Audi AG, AVL Deutschland GmbH, BMW AG, Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt), Continental Teves AG, Daimler AG, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dSPACE GmbH, Fraunhofer e.V., Ford Werke GmbH, FZI Forschungszentrum Informatik, OFFIS e.V., Opel Automobile GmbH, PROSTEP AG, Robert Bosch GmbH, RWTH Aachen University, TU Braunschweig, TU Darmstadt, TÜV SÜD Auto Service GmbH, Valeo Schalter und Sensoren GmbH, Volkswagen AG, ZF Friedrichshafen AG

Gefördert durch

[Logo: BM Wirtschaft und Klimaschutz]

Adresse

Institut für Kraftfahrzeuge
RWTH Aachen University
Steinbachstraße 7
52074 Aachen · Deutschland

office@ika.rwth-aachen.de
+49 241 80 25600

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.