Donnerstag, 11. September 2025 · 3270 Wörter · 28829 Zeichen
Forschung zum Anfassen: Mitfahrgelegenheit in die Zukunft der Mobilität
Universitäten und Automobilentwickler stellen ihr vernetztes Mobilitätssystem aus dem Verbundprojekt „autotech.agil“ vor
Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Eine Antwort darauf liefert das autotech.agil Konsortium mit dem Reallabor der Mobilität von Morgen. Über 100 Expertinnen und Experten aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus der Automobilbranche zeigen die Ergebnisse ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bei der heutigen Abschlussveranstaltung am 11.09.2025 auf dem Aldenhoven Testing Center. In Live-Demonstrationen, einer technischen Ausstellung sowie Vorträgen und Postern kann heute erlebt werden, wie vernetzte und automatisierte Mobilität künftig im Alltag funktionieren kann.
Bildauswahl der Live-Demonstrationen
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Bildauswahl der Abschlussveranstaltung
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Reallabor macht Mobilität der Zukunft erlebbar
In einem realitätsnahen Testumfeld zeigt autotech.agil das vernetzte Zusammenspiel von einer Vielfalt von autonomen Forschungsfahrzeugen, intelligenter Infrastruktur, Leitzentrale und Clouddiensten. An insgesamt zwölf Stationen können die Besucherinnen und Besucher die Mobilität der Zukunft hautnah erleben – und in über zehn vernetzten Fahrzeugen sogar selbst mitfahren. So entsteht eine Mobilitätswelt, die erlebbar macht, welches Potential innovative Technologien haben, gesellschaftlichen Nutzen zu schaffen.
„Automatisierung und Vernetzung eröffnen enorme Chancen, die Mobilität in Deutschland sicherer, inklusiver und effizienter zu gestalten. Dazu möchte autotech.agil nicht nur einen entscheidenden technologischen Beitrag, sondern auch einen gesellschaftlichen Mehrwert leisten – für eine Zukunft der Mobilität, die alle einbezieht,“ erklärt Raphael van Kempen, der Projektleiter.
Digitaler Zwilling des Verkehrs in Echtzeit
Im Notfall muss es schnell gehen: autonome Fahrzeuge, automatisierte Luftfahrzeuge und Leitzentrale reagieren erstmals koordiniert auf einen Zwischenfall. Der digitale Zwilling übernimmt die Rolle des Dirigenten, informiert Menschen und Fahrzeuge, sperrt Straßen, lenkt den Verkehr um und ermöglicht eine systemweite Notfallreaktion. Grundlage für all dies ist ein digitales Echtzeit-Abbild des gesamten Verkehrsnetzes, gespeist aus Daten von Fahrzeugen, Infrastruktur und Leitzentrale. Dies macht sichtbar, wie koordinierte Datenströme zu vorausschauender Steuerung und mehr Sicherheit führen werden.
Autonome Fahrzeuge und neue Anwendungen
Das Forschungsfahrzeug autoSHUTTLE zeigt, wie ein barrierefreier und inklusiver ÖPNV aussehen kann – mit niedrigem Einstieg, Komfortfunktionen zur Vermeidung von Reiseübelkeit und Notruferkennung. Im Forschungsfahrzeug autoELF kann erlebt werden, wie eine klug ausgewählte Sensorik selbst kleinste Verkehrsteilnehmende auch im dichten Stadtverkehr zuverlässig erkennen kann, so dass diese besser geschützt werden können. Mit dem Forschungsfahrzeug autoCARGO wird eine flexible Paketzustellung möglich: Fahrzeug und mobiler Roboter können unabhängig von festen Stationen Pakete aneinander übergeben – ein Ausblick auf die Logistik von Morgen.
Intelligente Systeme für Sicherheit und Nachhaltigkeit
Auch die Intelligenz der Systeme selbst wird erlebbar. Forschungsfahrzeuge lagern komplexe Planungsaufgaben in die Cloud aus und nutzen so gemeinsame Rechenkapazitäten und Informationen aus einem digitalen Zwilling für mehr Effizienz. Trifft ein Fahrzeug auf Situationen, die es nicht allein bewältigen kann, tritt die Teleoperation hinzu: Ein Operator wird informiert und assistiert, sodass Mensch und Maschine zusammenarbeiten, wie beispielsweise heute schon bei automatisierten U-Bahnen.
Ein weiterer Schwerpunkt des Verbundprojektes adressiert die Grundlagen für zuverlässige Automatisierung, die erst durch umfassendes Testen, unter anderem mit neuartigen simulativen Methoden, gewährleistet wird. Die präzise Positionsbestimmung der Forschungsfahrzeuge entsteht durch die Kombination von GNSS, LiDAR und Kameras – auch bei schwierigen Bedingungen durch Wetter oder enge Bebauung in Innenstädten bleibt die Standortgenauigkeit erhalten.
Nachhaltigkeit wird durch ökologisches Verhalten direkt ins Fahrverhalten integriert: Eco-Routing und Eco-Speed suchen stets die energiesparendsten Routen und Fahrweisen. Und der digitale Schutzengel sorgt für Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmender wie Radfahrer, indem er Gefahren, beispielsweise durch ausparkende Fahrzeuge am Straßenrand, in Echtzeit direkt auf das Smartphone meldet.
Damit diese vernetzten Systeme zuverlässig arbeiten können, ist Cybersicherheit ein zentrales Fundament – von der geschützten Fahrzeugkommunikation bis zur abgesicherten Cloud-Infrastruktur.
Leitzentrale und Infrastruktur als Herzstück
Im Zentrum dieser vernetzten Mobilitätswelt steht die cloudbasierte Leitzentrale. Sie bündelt alle Informationen, von Fahrzeugdaten bis zu Aufnahmen aus der Luft, und koordiniert in Echtzeit Notfälle ebenso wie alltägliche Verkehrsflüsse. Ergänzt wird dieses Bild durch intelligente Infrastruktur wie vernetzte und mit Sensorik ausgestattete Ampeln:
Erstmals werden Sensordaten aus Ulm, München und Aachen in einem gemeinsamen digitalen Zwilling vereint. So entsteht ein einheitliches Echtzeit-Abbild des gesamten Verkehrsnetzes über mehrere Städte hinweg – ein Schritt in Richtung großflächig vernetzter Mobilität.
Forschungsstärke trifft Industriekompetenz
Das Verbundprojekt zeigt erstmals, wie ein prototypisches Gesamtsystem in Echtzeit funktioniert, das sowohl Forschungsergebnisse als auch Industrieanforderungen in einer offenen und skalierbaren Architektur vereint und deshalb sogar vernetzte Serienfahrzeuge integrieren kann.
Koordiniert durch die RWTH Aachen University arbeiten 21 Partner aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen aus der Automobilbranche eng zusammen. Gemeinsam entwickeln sie modulare, skalierbare Lösungen, die herstellerunabhängig einsetzbar wären – sowohl in Fahrzeugen als auch in der digitalen Verkehrsinfrastruktur.
„Mit autotech.agil zeigen wir, wie offene, modulare Architekturen nicht nur einzelne Fahrzeuge, sondern das gesamte Mobilitätssystem intelligenter und sicherer machen“, erklärt Professor Lutz Eckstein, Gesamtkoordinator des Projektes und Leiter des Instituts für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University.
Open-Source als Motor
„Vor dem Hintergrund, dass viele Hersteller mittlerweile gemeinsame Open-Source-Initiativen verfolgen, um wettbewerbsdifferenzierende Software unabhängig von globalen Tech-Playern zu entwickeln, können die Ergebnisse von autotech.agil einen wichtigen Beitrag leisten: Auf Grundlage standardisierter Schnittstellen und der vollständigen Abstraktion der Software von der Rechnerhardware schafft das Verbundprojekt eine wichtige Grundlage für digitale Souveränität im Mobilitätssektor. Wer Mobilität in Europa attraktiv und sicher gestalten möchte, muss die Kontrolle über die digitalen Grundlagen behalten. Mit autotech.agil zeigen wir, wie eine offene, modulare Architektur in der Praxis funktioniert – und wie sie alle Beteiligten befähigt, neue Mobilitätslösungen auf Augenhöhe mit globalen Anbietern zu implementieren.“, betont der Projektkoordinator Lutz Eckstein.
Von der Forschung auf die Straße
Die in autotech.agil entwickelten Konzepte und Prototypen sollen als Blaupause für eine neue Generation autonomer, vernetzter Mobilitätslösungen dienen. Ein großer Teil der gewonnenen Erkenntnisse fließt daher bereits in Folgeprojekte sowie in die Vorentwicklung beteiligter Industriepartner ein.
„Jetzt gilt es, die nächsten Schritte zu gehen – von der Forschung auf die Straße. Gemeinsam mit Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft können wir den digitalen Zwilling des Verkehrs beispielsweise in Modellregionen und ambitionierten Städten umsetzen. Aufgrund der umfassenden, als Quellcode veröffentlichten Software und der abgestimmten Architektur, Formate und Schnittstellen wird die Umsetzung stark vereinfacht und der Mehrwert greifbar – schon heute können Serienfahrzeuge problemlos in den digitalen Verkehrszwilling integriert werden und damit zur Steigerung der Verkehrssicherheit und -effizienz beitragen“, schwärmt Professor Eckstein.
Gemeinsam für die Mobilität von Morgen
Das vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) mit rund 25 Millionen Euro geförderte Verbundprojekt autotech.agil (2022-2025) läuft über drei Jahre und baut auf den Erkenntnissen des Vorgängerprojektes UNICARagil (2018-2023) auf.
Über das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen University
Das Institut für Kraftfahrzeuge (ika) beforscht als Teil der RWTH Aachen University das Gesamtfahrzeug einschließlich seiner Systeme und deren Wechselwirkungen. Von der Idee über innovative Komponenten- und Systemkonzepte bis hin zum Fahrzeugprototypen gestalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Institutes das Fahrzeug der Zukunft. Das ika leistet sowohl in öffentlichen Projekten als auch in Kooperation mit Automobilherstellern und -zulieferern einen anerkannten Beitrag zur Lösung aktueller und zukünftiger Herausforderungen.
Grundlage der intensiven Forschungsarbeiten für große Teile der Automobilindustrie sowie öffentliche Fördermittelgeber auf EU-, Bundes- und Landesebene stellt die umfangreiche Infrastruktur des ika dar, welche von Antriebs-, Batterie-, Fahrwerks- und Reifenprüfständen über akustische, thermodynamische und servo-hydraulische Prüfeinrichtungen bis hin zu einer Gesamtfahrzeug-Crashanlage sowie Teststrecken einschließlich modernster Messtechnik reicht. Hinzu kommt eine aktuelle Soft- und Hardwareausstattung für alle erforderlichen Simulationsdisziplinen. Das ika beschäftigt rund 120 festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie mehr als 80 studentische Hilfskräfte. Zusätzlich entstehen permanent ca. 100 studentische Arbeiten im Rahmen der Forschung und Entwicklung.
Zur Veröffentlichung freigegeben. Bei Abdruck Belegexemplar erbeten. Bei Rückfragen oder Wunsch nach weiterem Material wenden Sie sich bitte an Ihre Ansprechpartner.
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